Wertvoll, manipulativ oder beides?!
Die gemeinnützige Klimaschutzagentur energiekonsens hat mit Experten und Unternehmen diskutiert, was Nudges – übersetzt kleine „Anstupser“ – für den Klimaschutz bewirken.
Es ist ein menschliches Phänomen: Jeder weiß um die Notwendigkeit, etwas für den Klima- und Umweltschutz zu tun und will es eigentlich auch. Aber das führt oftmals nicht zu verändertem Handeln – weder im privaten Umfeld, noch am Arbeitsplatz. Warum das so ist? Martin Grocholl, Geschäftsführer der gemeinnützigen Klimaschutzagentur energiekonsens, hat eine Erklärung dafür: „Der Mensch entscheidet in vielen Situationen intuitiv, ohne sich groß Gedanken zu machen.“ Genau hier setzt energiekonsens gemeinsam mit Kooperationspartnern – dem ConPolicy Institut für Verbraucherpolitik Berlin, der KLiBA Klimaschutz- und Energie-Beratungsagentur Heidelberg und der SAENA Sächsische Energieagentur GmbH – im Rahmen des Forschungsprojekts „Green Nudging“ an. Das vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit geförderte Projekt will Unternehmen dabei unterstützen, ihrer Belegschaft klimafreundliches Verhalten leichter zu machen. Dies geschieht nicht über eine Informationsoffensive, Belohnungssysteme oder Verbote, sondern mit Nudges: kleinen „Anstupsern“. Martin Grocholl nennt ein Beispiel: „Man kann seine Mitarbeiter ermahnen, aus Umweltschutzgründen doppel- statt einseitig zu drucken. Ein paar machen es sicher. Der Erfahrung nach geht die Anweisung im Arbeitsalltag aber schnell unter. Wird der doppelseitige Ausdruck jedoch als Standard im Gerät eingestellt, müsste sich der Nutzer bewusst dagegen entscheiden. Das kommt nur selten vor.“ Ein solcher Nudge verändere das Verhalten eines Beschäftigten mit Blick auf den Klimaschutz positiv, ohne ihm etwas abzufordern, zu untersagen oder die Wahlfreiheit zu nehmen, erklärt er weiter.
Mitarbeitende einbinden
An dem aus der Verhaltensökonomie stammenden „Nudging“ wird durchaus Kritik geübt. So heißt es etwa, dass ein solches Anstoßen manipulativ sei oder die autonome Selbstbestimmung angreife. Aus diesem Grund hat die gemeinnützige Klimaschutzagentur energiekonsens am Projekt Beteiligte sowie am Thema interessierte Unternehmen zu einer Podiumsdiskussion „pro und contra Nudging“ eingeladen. Am Anfang des Meinungsaustausches mit Expertinnen und Experten stand die Frage, ob diese Art der Verhaltensbeeinflussung ethisch vertretbar sei und ob es gute und schlechte Nudges gebe: „Beim Nudging und der Akzeptanz von Nudges kommt es sehr stark auf den spezifischen Nudge und das damit intendierte Ziel an: Während ein doppelseitiger Druck-Standard vermutlich auf geringe Gegenwehr stößt, kann dies bei anderen Zielen oder Maßnahmen wie zum Beispiel der Veränderung der Organspende hin zu einer Widerspruchslösung schnell ganz anders aussehen“, erläutern Dr. Max Vetter und Dr. Julius Rauber vom Institut ConPolicy. Verena Exner, Referatsleiterin bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) Osnabrück, warnte, dass die Grenze zwischen den positiven Seiten des „Anstupsens“ und einer nicht gewollten, „unlauteren“ Manipulation fließend und oft auch schwer zu erkennen sei. „Der Prozess muss deshalb transparent gemacht werden, um eine bewusste Entscheidung von Konsumentinnen und Konsumenten zu ermöglichen. “ Sie betonte aber auch: „Wenn Konsens besteht, dass wir uns in Sachen Klimaschutz aktiv und transparent anstupsen lassen wollen, ist das eine riesige Chance eine neue nachhaltige Alltagsroutine einfacher zu etablieren.“ Um diese zu nutzen, bedarf es in Unternehmen der richtigen Kommunikation, meint Birthe Frenzel, die an der Universität Greifswald zum Thema promoviert. „Es ist wichtig, beim Festlegen der Nudges die Mitarbeitenden mit einzubeziehen und entscheiden zu lassen, welche Art Anschub es geben soll. Das schafft Akzeptanz.“
Ein Instrument, um Verhalten zu beeinflussen
Auf die Frage, wie nachhaltig Nudges tatsächlich wirken, wenn man mit ihnen nicht die Einstellung eines Menschen ändert, sondern nur sein Verhalten beeinflusst, hat Max Vetter eine Antwort: „Es ist natürlich möglich, dass die Wirkung verpufft, wenn der Anstoß dann später weggelassen wird. Doch aus einem neuen Verhalten kann sich durchaus auch eine Gewohnheit ausbilden.“ Für die Politikwissenschaftlerin Dr. Kathrin Loer von der FernUniversität in Hagen ist Nudging nur eine Ergänzung zu bestehenden Instrumenten, die nötig sind, um dem Klimawandel entgegenzuwirken. „Es braucht zudem ordnungspolitische Maßnahmen. Oft ist es die Kombination von Geboten, Verboten und Anreizen, die durch die Anwendung von „Nudges“ einen besseren Effekt erzielen können.“ Anschaulich macht sie dies so: Um Unfälle in einer gefährlichen Kurve zu verhindern, bringe ein Tempolimit meist nicht viel. Erst eine zusätzliche optische Straßenverengung, die Verkehrsteilnehmer automatisch abbremsen lasse, führe zum gewünschten Ergebnis.
Die Agentur „GfG – Gruppe für Gestaltung“ nimmt aktiv an der Pilotphase des Projekts „Green Nudging“ in Bremen teil, um das Anstupsen im eigenen Unternehmen zu erproben. „Das Konzept dahinter gefällt uns, weil es niedrigschwellig und individuell ist. Mit unserem Team sind wir gerade dabei, maßgeschneiderte Nudges zu entwickeln“, so Geschäftsführer Björn Voigt. An der Pilotphase des Projektes beteiligen sich zehn Betriebe aus Bremen und Bremerhaven. Für die Roll-Out-Phase, die im kommenden Jahr starten wird, werden dann weitere zehn Unternehmen aus dem Land Bremen gesucht.